„Wenn die Lokomotive einmal angefeuert ist, immer weiterfahren!“

„Wenn die Lokomotive einmal angefeuert ist, immer weiterfahren!“
„Wenn die Lokomotive einmal angefeuert ist, immer weiterfahren!“

Schnittmuster ausdrucken, ausrichten, zusammenkleben, abpausen und ausschneiden – die lange Vorarbeit, wenn man sich ein Kleidungsstück nähen will, mögen wohl die wenigsten der etwa fünf Millionen HobbynäherInnen in Deutschland. Für sie kommt mit Pattarina demnächst eine App in die Stores, mit der sie viel Zeit, Nerven und Papier sparen können. Pattarina überträgt Schnittmuster millimetergenau vom Handy auf den Stoff, was die quälend lange Vorbereitung obsolet macht. Die Sci-Fi-App stammt aus der Feder von Hobbynäherin Dr. Nora Baum und Informatiker Markus Uhlig, die beide an der BTU an Doktorarbeiten forschten. Ein Professor brachte sie zusammen – seitdem stürzten sie sich in ihr gemeinsames Abenteuer Selbstständigkeit. Wir sprachen mit den beiden Gründern.

Das Medienecho rund um euer Produkt war groß, es reichte bis zur Bild-Zeitung. Wie habt ihr es geschafft, dieses auszulösen?

Die Bild-Zeitung ist sicher ein Aushängeschild, wir haben es aber auch in die Süddeutsche und weitere große Tageszeitungen geschafft. Alles begann natürlich mit regionalen Medien. Wie wir das geschafft haben? Wir haben einfach unsere Arbeit gemacht. ;) Wir haben Nutzer die App schon in frühen Phasen testen lassen, waren bei Pitches und Messen dabei und in Social Media präsent. Das Medienecho hat sich auf jeden Fall bemerkbar gemacht – so konnten wir viele Leute neugierig machen, die später Tester wurden und unsere zukünftigen Kunden sein werden.

Wie ist der aktuelle Stand eurer App und wie der weitere Ablauf bis zum finalen Launch?

Durch den Testlauf hatten wir unsere ersten 4.000 Installationen und bekamen durchweg ein sehr gutes Feedback. Wir konnten Probleme feststellen und beheben, erhielten Anregungen und Verbesserungsvorschläge. An das Abmalen durch den Bildschirm muss man sich ein bisschen gewöhnen – man sieht seine Hand plötzlich in 2 D, das könnte verwirrend sein. Manche kommen nach 20 Sekunden damit klar, andere brauchen einige Minuten. Insgesamt hat unsere App diese Prüfung aber mit Erfolg bestanden und ihre Nutzerfreundlichkeit unter Beweis gestellt. Den Testlauf wollen wir ab April abstellen.
Richtung Frühsommer planen wir dann den finalen Launch mit namhaften Partnern, Verlagen und Schnittmuster-Anbietern. Gegen Ende des Jahres sollen Zusatzfunktionen wie Änderungen an Schnittteilen oder eine flexible Nahtzugabe dazukommen.

Seht ihr noch weitere Bereiche im Handwerk, in der erweiterte Realität eine Rolle spielen kann?

Unsere Technologie hat das Potenzial, auch in einem ganz anderen Kontext eingesetzt zu werden. Man könnte sie zum Beispiel nutzen, um Bilder an die Wand zu malen, Bilderrahmen auszurichten, Bohrlöcher zu markieren, Geburtstagskarten zu beschriften oder auch für Holzarbeiten. Wir konzentrieren uns aber erstmal auf Schnittmuster, weil wir hier den Markt gut kennen.

In welchen Situationen kommt eure App an ihre Grenzen?

Zur Darstellung der Schnittmuster wird ein sogenannter Anker verwendet – sozusagen ein Referenzbild mit einem Code, der von der App erkannt wird. Für einzelne Kleidungsstücke, beispielsweise Kinderhosen, gibt es damit keinerlei Probleme. Bei großen Proportionen oder Modeteilen, die sich in die Länge ziehen, wird es schwierig, wenn man nur mit einem Anker auskommen will. Hierfür bräuchte man dann mehrere Anker.

Was habt ihr vorher an der BTU studiert?

Markus: Ich studierte Informations- und Medientechnik bis zum Master und forschte danach 6 Jahre lang unter den Fittichen von Prof. Dr. Lewerenz an den Themen Softwarevisualisierung und Computer Vision. Ein passendes Thema, wie sich herausstellte, denn ich konnte viele Forschungskonzepte auf die Arbeit an unserer App übertragen.
Nora: Ich für meinen Teil bin erst nach meinen Studienaufenthalten in Mannheim und Leipzig nach Cottbus gekommen, um hier unter Prof. Dr. Hipp zu Personalführung, Organisation und Unternehmenspolitik zu promovieren.

Inwiefern hat euch die BTU bei eurem Gründungsvorhaben unterstützt?

Der Gründungsservice der BTU war uns eine riesige Hilfe beim Beantragen des EXIST-Gründungsstipendiums. Der Antrag hierfür ist mega aufwendig und nahm locker drei Monate in Anspruch. Ohne diese Unterstützung hätten wir da wohl nicht durchgeblickt. Aber auch an Prof. Dr. Lewerenz von Markus‘ Lehrstuhl möchten wir einen großen Dank aussprechen. Er knüpft wertvolle Kontakte und stand uns bisher seit der Bewilligung des Stipendiums als Mentor zur Seite. Er war es auch, der uns erstmalig bekannt machte. Zu guter Letzt erfuhren wir auch bei der IHK viel Wissenswertes, bei der wir uns von Herrn Hahn beraten ließen. Aus diesen Gesprächen konnten wir uns viel mitnehmen.

Was muss man mitbringen, um den langen Weg von der Idee bis zum Produkt zu bewältigen?

Man braucht auf jeden Fall eine „Augen zu und durch“-Mentalität. Sobald die Lokomotive einmal angefeuert und auf dem Gleis unterwegs ist, immer weiterfahren!
Sobald man sich vergegenwärtigt hat, welches Problem man mit welcher Lösung bedienen möchte, sollte man so früh wie möglich in das Testen mit echten Nutzern übergehen. Statt ewig Pläne zu schmieden und rumzutüfteln, kann man sich so eine Menge Anregungen holen und das Produkt schon frühzeitig in die richtigen Bahnen lenken. Wir selbst hatten vier Wochen nach dem Start erste Tests mit einer wirklich schrottigen App und konnten dadurch wahnsinnig viel lernen.
Wichtig ist definitiv auch, sich mit vielen potenziellen Kunden zu umgeben und von ihnen Anregungen zu holen. Wenn Leute die eigene Idee gut finden, sorgt das für einen Motivationsboost.

Was bedeutet der Name eurer App, Pattarina?

„Patt“ steht abgekürzt für „pattern“, „ina“ für „in air“ und das „ar“ in der Mitte heißt ausgeschrieben „augmented reality“. Patt + ar + ina ergibt den Namen für unsere App.

Pattarina – die Schnittmuster-App
Dr. Nora Baum & Markus Uhlig
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BTU Cottbus-Senftenberg
LS Softwaresystemtechnik
Prof. Dr. Lewerentz
PF 10 13 44, 03013 Cottbus

www.pattarina.de