„Die BTU wird der Motor des Strukturwandels sein“

„Die BTU wird der Motor des Strukturwandels sein“
„Die BTU wird der Motor des Strukturwandels sein“

Dr. Martina Münch ist seit März 2016 Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK). Damit trägt sie eine weitreichende Funktion, wenn es darum geht, die brandenburgische Hochschullandschaft und ihre Forschung auf- und auszubauen und erlangte Innovationen in die regionale Wirtschaft zu transportieren. Aufgaben, die im Hinblick auf den bevorstehenden Kohleausstieg der Lausitz immer wichtiger werden. Im Interview verriet sie, welche Bedeutung sie der BTU Cottbus-Senftenberg im Strukturwandel beimisst und wofür sie sich zukünftig einsetzen möchte – und blickte auf die vergangenen fünf Jahre seit der Fusion der Uni Cottbus und der Fachhochschule Senftenberg zurück.

Was wünschen Sie sich im kommenden Jahr aus Sicht der Ministerin von der BTU einerseits und Cottbus sowie Senftenberg als Hochschulstandorte andererseits, was aus Sicht der Lausitzerin?

Da gäbe es eine Menge … Um es aber auf den Punkt zu bringen: Ich wünsche mir, dass die BTU als Entwicklungsmotor der Lausitz weiter Fahrt aufnimmt und im anstehenden Prozess des Strukturwandels in der Lausitz sowie in den politisch-gesellschaftlichen Diskussionen in Cottbus eine noch zentralere Rolle spielt. Ich bin überzeugt, sie kann und wird das auch tun.

Für wie wichtig hält das MWFK eine Ansiedlung eines namhaften Instituts der großen Forschungsgesellschaften an der BTU Cottbus-Senftenberg und inwiefern kann das Ministerium darauf Einfluss nehmen?

Die erfolgreiche Förderung von anwendungsorientierter Forschung und die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen ist eine Investition in die Zukunft und trägt zur nachhaltigen Stärkung und Weiterentwicklung der Lausitz bei. Ich freue mich, dass wir noch im April eine weitere Fraunhofer-Projektgruppe an der BTU eröffnen werden, in der an mikromechanischen Komponenten geforscht wird, die etwa für die Entwicklung der Industrie 4.0 von zentraler Bedeutung sind. Wir können als Politik dafür die Rahmenbedingungen fördern: Im vergangenen Jahr haben wir ein ‘Memorandum of Understanding‘ mit der Fraunhofer-Gesellschaft unterzeichnet, um den Strukturwandel in der Bergbauregion Lausitz voranzutreiben. Damit wollen wir insbesondere die BTU in den Bereichen Biokunststoffe, Biotechnologie und Mikroelektronik stärken. Die neue Bundesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung die Errichtung eines Fraunhofer-Instituts für Speichertechnik verabredet – wir werden uns dafür einsetzen, dass es in die Energieregion Lausitz kommt.

Die Fusion der Uni Cottbus und der Fachhochschule Senftenberg liegt mittlerweile fünf Jahre zurück. Wo sehen Sie nach fünf Jahren Ehe gewachsenes Beziehungsglück und wo zerbrochenes Porzellan?

Ich glaube, dass die BTU mittlerweile ganz gut zusammengewachsen ist – auch wenn der Prozess insgesamt noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Der interne Umstrukturierungsprozess ist in einigen Bereichen – beispielweise der Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung – nahezu beendet und im Übrigen auf einem guten Weg. Ein Schwerpunkt der Umstrukturierung sind aktuell Berufungen: Die BTU plant bis etwa 2020 insgesamt rund 100 Berufungsverfahren. Das ist eine beachtliche Zahl an neuen Professorinnen und Professoren, die die Universität künftig neu gestalten und voranbringen wird. Zerbrochenes Porzellan sehe ich nicht – allerdings bleibt die Herausforderung, verlässlich neue Studierende in die Lausitz zu locken.

Wo sehen Sie die BTU Cottbus-Senftenberg in weiteren fünf Jahren?

Ich habe zwar keine Glaskugel – aber ich bin mir sicher: In fünf bis zehn Jahren wird die BTU Cottbus-Senftenberg mit ihrer Forschung, ihrer Vernetzung, ihrem Transfer und ihren Ausgründungen der Motor des Strukturwandels in der Lausitz sein und mit ihrem gesamten Fächerspektrum in diese Entwicklung eingebunden sein.

Was halten Sie von der Forderung, die BTU als Exzellenz-Universität im Energiebereich klarer zu profilieren?

Der von Bund und Ländern finanzierte Exzellenzzug ist gerade erst wieder abgefahren und für kleinere und mittelgroße Universitäten ist es erfahrungsgemäß ohnehin schwieriger, sich da als Ganzes erfolgreich zu positionieren. Aber das Thema Energie ist natürlich von wesentlicher Bedeutung für das Profil der BTU und im Übrigen auch Teil ihres gesetzlichen Gründungsauftrags: Die Hochschule liegt mitten in einer Energieregion und die hier stark vertretenen Themen zu erneuerbaren und alternativen Energien und ihren Technologien sowie zu Fragen der Speicherkapazitäten spielen global eine immer wichtigere Rolle. Hier liegt eine Chance für die BTU. Und wir werden sie dabei nach Kräften unterstützen – etwa durch den Einsatz für die Errichtung des Fraunhofer-Instituts für Speichertechnik in der Lausitz.

Eine Neuerung in den nächsten zwei bis drei Jahren ist die gemeinsame, gesundheitswissenschaftliche Fakultät der BTU mit den Hochschulstandorten Potsdam und Brandenburg mit fünf Professuren allein an der BTU. Ist dieses Projekt für Sie als Ärztin eine Herzensangelegenheit?

Ja, unbedingt! Wir haben schon heute in den Hochschulen und Instituten unseres Landes hochaktuelle, international beachtete Forschung in medizinisch relevanten Gebieten. Durch die Verzahnung im Gesundheitscampus entsteht nicht nur ein in dieser Form einmaliges Netzwerk in Deutschland – es ergeben sich auch neue Chancen für die Fachkräftesicherung und die medizinische und pflegerische Versorgung im Flächenland Brandenburg. Und wir stärken die Wissenschafts- und Forschungslandschaft im Gesundheitsbereich weiter. Das bringt einen weiteren Innovationsschub, wirkt als Entwicklungsmotor und schafft hochqualifizierte Arbeitsplätze.

Sie haben selbst Medizin in Hamburg, London und den USA studiert. Wie hätte man Sie als junge Studierende von einem Studium in der Lausitz überzeugen können?

Leider kann man in Cottbus bis jetzt nicht Medizin studieren! Aber im Ernst: Ein gutes Studienangebot, bezahlbarer Wohnraum, persönliche Atmosphäre und ein attraktives Kultur- und Studentenleben sind überzeugende Argumente – und das alles hat Cottbus. Und die Tausenden von ausländischen Studierenden geben der Stadt ein internationales Flair, wie man es sonst nur aus Großstädten kennt – ohne, dass man gleichzeitig den Stress einer Metropole hat.

Die aktuellen Image-Probleme von Cottbus als Spielball in der Berichterstattung rund um eine vermeintliche Ausländerproblematik sind einer Studienentscheidung für die Lausitz ganz sicher abträglich, was müsste die Stadt Ihres Erachtens tun – und wie kann das Land unterstützen?

Stadt und Land tun bereits Einiges. Cottbus hat in erheblichem Umfang Flüchtlinge aufgenommen und Unterkünfte sowie Kita- und Schulplätze bereitgestellt. Und das Land hat seit 2015 landesweit Maßnahmen zur Integration auf den Weg gebracht. Nach den Vorfällen im Januar wurden weitere gezielte Maßnahmen für Cottbus, wie zusätzliche Polizeikräfte und Sozialarbeiter, beschlossen. Das muss erst mal wirken. Aber wir werden wo es notwendig ist natürlich auch über weitere Maßnahmen reden müssen. Hier sind aber auch die Cottbuserinnen und Cottbuser gefragt. Die weit überwiegende Mehrheit der alteingesessenen Cottbuser und der neu Hinzugekommenen wollen dasselbe: In Frieden und Freiheit und ohne Angst leben. Cottbus ist eine weltoffene, tolerante und vielfältige Stadt – dafür lohnt es sich, offen und offensiv einzutreten. Und ich wünsche mir, dass das noch viel deutlicher sichtbar wird.

Die BTU Cottbus-Senftenberg verfügt über einen hohen Ausländeranteil, die Studierenden aus aller Welt fühlen sich hier sehr wohl. Sehen Sie es aktuell als wichtige Aufgabe, diesen Facetten mehr nationale Aufmerksamkeit zu verschaffen? Gibt es bereits konkrete Maßnahmen?

Auf jeden Fall – und nicht nur national, auch international. Rund 2.000 der etwa 7.500 Studierenden kommen aus dem Ausland, Tendenz steigend. Die ausländischen Studierenden tragen nicht nur zur internationalen Vernetzung bei, sie bereichern Stadt und Region und sichern den Hochschulstandort in der Lausitz. Präsident Steinbach hat Recht, wenn er sagt, dass die Hochschule ohne sie nicht lebensfähig wäre. Die BTU tut bereits eine Menge, um ausländische Studierende und Wissenschaftler willkommen zu heißen und zu betreuen. Wo es nötig und möglich ist, unterstützen wir gerne. So haben wir im vergangenen Jahr das Studieneinstiegs-Projekt "College für Geflüchtete" finanziell gefördert.

Wenn Ihnen Herr Woidke ohne Rücksicht auf den Landeshaushalt für die BTU einen großen Wunsch erfüllen würde, was würde ganz oben auf der Liste stehen?

Ein weiterer Aufwuchs der jährlichen Mittel für die Hochschulen, von dem auch die BTU Cottbus-Senftenberg profitieren würde und einen starken Gesundheitsbereich für die Lausitz mit Erweiterung der medizinischen Angebote und mit Pharmazie! Das wäre eine sinnvolle Ergänzung und Stärkung des geplanten Gesundheitscampus, mit dem wir die Forschungsanstrengungen im Gesundheitsbereich im Land Brandenburg bündeln und weiterentwickeln wollen – und gleichzeitig nochmals eine deutliche Erweiterung des Wissenschaftsstandortes Lausitz. Zudem würde es die Attraktivität der beiden Standorte in Cottbus und Senftenberg weiter erhöhen. Aber wir müssen auf dem Teppich bleiben – dies alles ist sehr kostenintensiv. Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, die Finanzierung der Hochschulen des Landes in dieser Legislaturperiode von 2015 bis 2019 um insgesamt 100 Millionen Euro zu erhöhen und damit die Trendwende einzuleiten. Ich würde mir wünschen, dass sich dies so fortsetzt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass es auch nach 2019 wieder einen Aufwuchs gibt. Mal sehen, was da rauskommt – dann sehen wir weiter …

Bild: Die Hoffotografen