„Eine Spirale aufwärts mit globaler Beispielwirkung“


Die Lausitzer Strukturentwicklung wird in der BTU Cottbus-Senftenberg immer stärker spürbar. Die Hochschule macht sich mit eigenen Projekten auf den Weg, externe Institute siedeln sich an, eine Medizinfakultät soll kommen. In diesen stürmischen Zeiten wechselt auch die Spitze des BTU-Fördervereins: Zum 1. August 2019 übernahm Jörg Waniek den Vorstandsvorsitz. Er ist Personalvorstand des Energieunternehmens LEAG und seit vielen Jahren in der Personalführung großer Unternehmen tätig. Wir sprachen mit dem einstigen Jura-Studenten über Chancen und Notwendigkeiten:
Studierendenzahlen, Alleinstellungsmerkmale, Stadtimage – und sahen neben etwas Schatten jede Menge Licht.
Sie haben in Zeiten dynamischer Veränderungen den Vorsitz des BTU-Fördervereins übernommen, welche aktuellen Entwicklungen bewegen Sie am meisten?
Das sind vordringlich die Studierendenzahlen – diese sanken von der 10.000er-Marke zur Fusion vor wenigen Jahren auf mittlerweile rund 7.300. Das ist ein Signal. Die Attraktivität einer Hochschule drückt sich ganz plastisch darin aus, wie viele junge Menschen an ihr studieren wollen. Wenn immer weniger darauf vertrauen, hier ein gutes Fundament und einen perfekten Start für ihr Leben zu bekommen, müssen wir schnell handeln. Gerade jetzt eröffnet die BTU viele neue Chancen und Perspektiven, ein Studium in diesem dynamischen Wandel ist spannend und attraktiv. Wir brauchen neue Wege, um potenzielle Studierende davon zu überzeugen. Wir müssen in der Region solide Partnerschaften organisieren, mit denen wir die Attraktivität der Hochschule nach außen tragen. Das kann der Förderverein leisten. Wir haben Personen und Kontakte, die Wege eröffnen.
Was muss die BTU aus Ihrer Sicht im Hinblick auf die sinkenden Studierendenzahlen besser machen?
In schwierigen Situationen sollte man aus meiner Sicht das tun, was man am besten kann – also: die Kernkompetenzen stärken. Ich würde mir wünschen, dass die BTU ihre Exzellenz offensiver nach außen kommuniziert. Wenn man ein breites Angebot ins Schaufenster stellt, müssen Interessenten dennoch schnell die Leuchttürme erkennen. Bei Freiberg denke ich sofort an Bergbau und Geologie, bei Zittau an die Elektrotechnik. Bei Cottbus dachte man früher sofort an Bauwesen und Architektur. Heute könnte man dem die Themen Energie und Umwelt zur Seite stellen. Da gibt es gerade mit Blick auf aktuelle Entwicklungen in der Energiewende viele Synergien. Ohne das Gesamtangebot kleinreden zu wollen – ich würde mir wünschen, dass die BTU wieder mehr Exzellenz in ihr Profil bekommt. Man braucht Dinge, die eine Erkennbarkeit und ein Image einer Hochschule ausmachen.
Im Jahr 2023 sollen in Cottbus die ersten Studierenden der Medizin starten. Sehen Sie hier eine Möglichkeit für ein Alleinstellungsmerkmal?
Das Thema Medizin hat für Brandenburg und die Lausitz eine riesige Bedeutung. Wir haben Ärztemangel, Probleme in der Pflege und eine Demografie, die keine Verjüngung erwarten lässt. Wir sind darauf angewiesen, dass sich junge Menschen in der Region für medizinische Themen begeistern. Mit diesem Wissen würden sie eine wichtige Zukunftsvorsorge für die Region und auch für die Wirtschaft leisten. Eine solche klassische Fakultät wie die Medizin wertet uns als BTU unheimlich auf.
Sie bleibt aber ein regionales Thema, es geht meines Erachtens nicht um einen nationalen oder gar international ausstrahlenden Leuchtturm der Medizinforschung. Die Möglichkeit dafür liegt aus meiner Sicht vor allem in den Themen Energie und Umwelt, die in unserer Region mit ihren Erfahrungen, ihrem Wissensschatz und ihrem Know-how verknüpft mit Innovationen und Entwicklungen in der Transformation des Reviers auch im Hochschulbereich ein einzigartiges Potenzial besitzen. Wenn ich dazu auch die in der Wirtschaft verankerten Kompetenzen sehe, dann liegt es auf der Hand, diese Themen anzupacken. Dabei geht es um die Zukunft, den Weg mit fossilen Energieträgern in die Zeit der Erneuerbaren. Hier können Forschung und Technologien eine Spirale aufwärts mit globaler Beispielwirkung entfalten. Das ist eine Chance für die BTU, die auch junge Menschen begeistern kann.
Wo wollen Sie die Arbeit Ihres Vorgängers Michael von Bronk fortführen, wo neue Akzente setzen?
Was im Förderverein gemacht wurde, war richtig und wird fortgeführt. Allerdings fiel mir auf: Wir haben zum einen zu wenig Mitglieder, zum anderen im Verhältnis zur Größe der BTU zu wenig Geld. Um das zu ändern, muss der Förderverein in der breiten Bürgerschaft ankommen, ihr einen Nutzen stiften. Bisher empfinde ich in Cottbus eher eine unsichtbare Mauer zwischen dem Campus der BTU und der Innenstadt. Im alten, traditionellen Hochschulstandort Erlangen, an dem ich studiert habe, war das ganz anders. Dort sind die Universitätsinstitute teils in der Innenstadt verankert. Das bringt eine Vernetzung und Verbindung zwischen Bürgern und der Uni, die als selbstverständlich wahrgenommen wird. Hier sollte der Förderverein die Hochschule künftig stärker mit der Bürgerschaft verweben.
Können Sie dazu etwas Konkreteres sagen?
Wir brauchen Plattformen, bei denen beispielsweise Professoren einladen und Abende zu ihren Forschungsvorhaben gestalten. Das sollte an zentralen Örtlichkeiten geschehen und Themen verfolgen, die auch „normalen“ Bürgern einen Mehrwert bringen. Hier ist die Vielfältigkeit der Hochschule von Bauwesen über Pflege bis Energie und Ökologie eine wahre Schatztruhe. Ein solches Format kann unser Förderverein gestalten. Zudem schwebt mir vor, in der Lausitz zu bestimmten Themen kleine Gesprächszirkel zu initialisieren. Es geht darum, Menschen mit ähnlichem oder zueinander passendem Know-how untereinander vernetzen. Wir brauchen im Lausitzer Wandel neue Kooperationen, hier kann der Förderverein Katalysator für eine gewisse Exzellenz im Wissensstransfer zwischen Hochschule, Wirtschaft und Bürgerschaft sein.
Damit adressieren sie zunehmend die lokale Wirtschaft und Bürgerschaft. Wo bekommen Studierende konkret die Arbeit des Fördervereines zu spüren?
Ein zentrales Anliegen des Fördervereins bleibt die Würdigung besonderer Leistungen junger Wissenschaftler. Wir vergeben Förderpreise für die besten Dissertationen, Bachelor- & Masterarbeiten der einzelnen Fakultäten. Darüber hinaus unterstützen wir viele Veranstaltungen und Initiativen von Studierenden. Das wird derzeit leider von den meisten Studierenden kaum wahrgenommen. Deshalb möchte ich auch die Sichtbarkeit dieses Wirkens deutlich verstärken, dabei geht es z.B. um die Darstellung im Internet und in sozialen Kanälen.
Zudem brauchen wir einen besseren Zugang zu den Absolventen der BTU. Mein Wunsch ist es, das bestehende Alumninetzwerk im Sinne des Netzwerk- und Unterstützergedankens stärker mit dem Förderverein zu verknüpfen. Es gibt Hochschulen wie die Uni Potsdam oder die TU München, an denen die Bindung der Absolventen mit immensen Vorteilen für die jeweilige Hochschule besser funktioniert. Auch dieses Thema sollten wir gemeinsam mit der BTU anpacken. Vielleicht können beide, wir und das Alumninetzwerk, unsere Stärken so vernetzen, dass wir Mehrwerte generieren können.
Wenn Sie jetzt das Studentenleben in Erlangen, Potsdam oder München anschauen und mit Cottbus vergleichen, was macht den Reiz der BTU aus?
Bei allen vermeintlichen Vorteilen sind mit solch großen, traditionsreichen Unistandorten auch große Nachteile verbunden. Die Studiengänge sind dort von Anonymität geprägt. Zwischen den Studierenden und den Hochschullehrern herrschen oft große Distanzen, Hörsäle sind überfüllt, Studienzeiten verlängern sich wegen ausgebuchter Veranstaltungen. Eine kleine Universität wie die BTU kann hier ihre Vorteile ausspielen. Der individuelle Charakter ist ein Riesenvorteil. Das betrifft die menschliche Seite als auch die Verhältniszahl zwischen Lehrenden und Lernenden. Man hat direkte Kontakte und mehr Nähe, auch zur Forschung, als das bei großen Universitäten der Fall ist. Manche Massenuniversität verspricht eine Exzellenz, die für Studierende im Massenbetrieb auch verlorengehen kann. In der Lausitz hingegen kann jeder ganz nah am Professor und an Themen sein, die ganz Deutschland bewegen. Damit muss man mehr wuchern!
Wichtig ist natürlich auch das Studentenleben abseits vom Hörsaal. Hier hat Cottbus mehr zu bieten, als viele denken und den Vorteil, dass Studierende hier noch selbst mitgestalten können. Wer sich aktiv einbringt, ist in Cottbus viel schneller mittendrin und Teil der Stadt.
Ihr Vorgänger Michael von Bronk sah vor zwei Jahren ein Institut rund um Braunkohle oder alternative CO2-Nutzung als sinnvoll für die Lausitz an. Aktuell stehen Institute mit anderer Ausrichtung in Aussicht. Haben Ihres Erachtens Lausitzer Braunkohletechnologien noch Zukunft?
Beim Thema Braunkohle geht mir einfach nicht in den Kopf, warum wir in Deutschland die Lausitzer Technologien negieren. Unser einzigartiges Know-how hat hier zu den effizientesten Kraftwerken geführt, deren Technologien auf das Weltklima bezogen einen immensen Beitrag leisten und bedeutend Treibhausgas-emissionen mindern können. Wenn wir unsere modernen Anlagen und Technologien weltweit exportieren, wäre für das Klima tatsächlich etwas erreicht. Stattdessen müssen wir, politisch verordnet, einen Block nach dem anderen vom Netz nehmen. Hier sollte man meines Erachtens noch einmal gründlich über technologische Lösungen nachdenken. Für die Lausitz ist der Kompromiss zum Braunkohleausstieg bis Ende 2038 schmerzlich. Wir werden das Thema Energiewirtschaft mit unserer LEAG und vielen Partnern auf neue Füße stellen, Energiewirtschaft ist schon heute viel mehr als Braunkohle! Wir werden die deutsche Energiewende mit umsetzbaren, wirtschaftlich interessanten Konzepten z. B. zum Thema Speicherung flankieren – oder auch zu Themen wie dezen-traler Erzeugung, der Verknüpfung zwischen Elektrizität und Wasserstoff. Das stärkt die BTU, die regionale Wirtschaft und fördert eine Exzellenz als Energie-Universität für ganz Deutschland.
Die LEAG ist für die BTU traditionell einer der stärksten Drittmittelgeber. Wie wird sich das verändern, wenn der Fokus jetzt auf neue Felder gerichtet wird?
Neue Zukunftsfelder kann die LEAG nicht als einziger Geldgeber stemmen. Wir müssen neue Partnerschaften auf Augenhöhe generieren, um hier Erfolg zu haben. Dieses Engagement wird nur funktionieren, wenn wir ausreichend Zeit und Geld mit unserem Bestandsgeschäft in der Braunkohle zur Verfügung haben. Für neue Wege, neue Produkte und Dienstleistungen liefern meist wissenschaftliche Ansätze und Technologien die Grundlage. Vor diesem Hintergrund wird die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sicher nichts an Intensität verlieren.
Bislang sind Start-ups aus der Hochschule heraus Mangelware, welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie hier für den Förderverein?
Als Förderverein ist uns sehr an einer engen Zusammenarbeit zwischen BTU und Wirtschaft gelegen. Wir begrüßen daher das entstehende Gründerzentrum am Cottbuser BTU-Campus sehr. Ein ähnliches Projekt habe ich bereits in meiner beruflichen Vergangenheit in Halle/Saale erlebt. Dort sorgte ein Gründerzentrum für einen kräftigen Schub, die Ideen junger Menschen in einen wirtschaftlichen Kontext zu überführen. Das muss uns in der Lausitz auch gelingen. Als Förderverein können wir ein wichtiges Scharnier zwischen BTU, Studierenden, Gründerzentren, wirtschaftlicher Anwendung und Management-Skills sein. Vielleicht wäre das auch ein Anreiz für Unternehmen, sich im Förderverein zu engagieren. Sie kommen schneller mit einem jungen, innovativen Potenzial in Berührung und in evtl. Kooperation. In diesem Kontext finanzieren wir mit dem Wissenschaftstransferpreis bereits ein passendes Projekt.
Hand aufs Herz, wenn Sie heute noch einmal die Entscheidung für ihren eigenen Studienort treffen müssten, womit könnte die BTU punkten, und womit gewinnen?
Die BTU kann mit einer einfachen Tatsache gewinnen: dem guten Betreuungsverhältnis und der Nähe zwischen Professoren und Studierenden. Ein weiterer Vorteil ist die Praxisbezogenheit. Ich denke aber, dass wir beim Image noch ein dickes Brett zu bohren haben. Es muss automatisch ein gutes Bauchgefühl entstehen, wenn man von Cottbus hört und spricht. Cottbus und die Lausitz sind so viel besser als ihr Ruf. Das Außenbild können aber weder BTU, noch Förderverein allein verändern. Die neue Stadtmarke und die Markeninitiative Pücklerstadt aus der Wirtschaft heraus sind hier erste Leuchttürme. Dieses Engagement müssen Stadt, Bürgerschaft und wir alle verstärken.
Wir danken für das Gespräch.