Innere Stärke: was kann das sein?
Teil 5 unserer Fitness-Reihe mit Bloggerin Nadin Eule-Mau
Innere Stärke kann ein Phänomen sein. Braucht oder sucht man sie, stellt sie sich partout nicht ein. Dann plötzlich taucht sie in unterschiedlichen Formen auf. Aber was genau ist innere Stärke?
Nenne es Mut, Kraftausdauer, Durchsetzungsvermögen, Entschlossenheit, Motivation oder auch Resilienz, also Widerstandsfähigkeit. Aber müssen wir für alle diese Qualitäten immer Härte nach außen zeigen oder können wir weich voller Emotionen genauso viel innere Stärke ausstrahlen oder sogar noch mehr? Dann wäre innere Stärke doch auch Akzeptanz, Loslassen, Zurücktreten, Beobachten und Bewusstheit. Wenn ich dich fragen würde, was du mit innerer Stärke verbindest, was würdest du antworten? Könntest du dem zustimmen, dass innere Stärke meist mit Kraft, Stabilität und Selbstsicherheit in Verbindung gebracht wird? Wie sieht es aber mit Loslassen, Akzeptanz und Bewusstheit aus? Mit dem Wahrnehmen eigener Bedürfnisse?
Was ich mich bei dem Thema immer wieder frage, ist, wieso wir innere Stärke oft so einseitig betrachten. Natürlich spielt dabei die Widerstandsfähigkeit eine maßgebliche Rolle, also wie wir mit Belastungssituationen umgehen. Aber wenden wir uns kurz ganz uns selbst zu. Innere Stärke kann Körperbewusstsein meinen. Körperlich können wir innere Stärke in unserer Mitte finden. Es ist die Verbindung von allem, was uns „beißen“, durchhalten lässt, was wir mit Kraftausdauer oder Durchhaltevermögen ausdrücken könnten. Ziele verwirklichen, eigene Vorgaben und Standards für sich erreichen, für das einstehen, was einem wichtig ist.
Für mich persönlich kann ich sie bei den Freuden des Lebens, beim Training oder auch auf der Yogamatte erleben. Es hat eine sehr lange Zeit gebraucht, bis ich meine innere Stärke zudem im Innehalten, Aushalten und Sein wahrnehmen und nutzen konnte. Das kann sich positiv auf die Betrachtungsweise auswirken, wie wir uns selbst und Umstände in unserem Leben sehen. Letztlich kann es den großen Unterschied machen zwischen ständigem Beschweren, Verharren in Gedanken- und Emotionskreisläufen und im Annehmen, was ist.
Das Wasserglas trotzdem als gefüllt zu betrachten, auch wenn es das Leben gerade nicht so gut mit uns meint, ist die Herausforderung. Sie ist einfacher zu meistern, wenn wir uns durch unsere innere Stärke leiten lassen und hin und wieder kraftvoll negative Dinge annehmen. Wir haben alles in uns, was wir brauchen und noch viel mehr. Denn Gefühle und Emotionen gehören genauso zum Leben, zu uns. Sie zu vermeiden wäre kein Zeichen von innerer Stärke! Für mich zeigt sich deshalb innere Stärke in Stabilität, die uns aber andererseits ermöglicht, gleichermaßen nahbar zu sein. Würdest du beispielsweise eine Yogahaltung ausprobieren wollen, könnte es der sogenannte Baum sein, der auf so wunderbare Weise unsere Körperhälften verbindet. Der Unterkörper steht mit Kraft, Stabilität und Öffnung für Yang, während der Oberkörper ganz bewusst weich, entspannt, losgelöst, abwartend sein darf. Ähnlich verhält es sich für die Leistendehnung. Wir halten mit den Beinen eine sanfte Kraft, während wir einen Teil des Körpers öffnen. Probiere es mal. Spüre, was es mit dir macht!
Laufen, Yoga, Gartenarbeit, ... Wenn du dich bewusst einer Sache verschreibst, und wenn es nur eine belanglose Nachmittagsbeschäftigung ist, kann es dein Wasserglas wieder auffüllen, deine innere Stärke lebendig werden lassen. Denn etwas hingebungsvoll zu machen, es zu genießen, füllt unsere leeren Alltagsspeicher auf. Wenn wir diese Sache bewusst achtsam ausführen, erfüllt uns das noch mehr mit Energie.
Innere Stärke kann aber auch eine zwiespältige Kraft sein. An Träumen festzuhalten kann genauso Stärke ausstrahlen wie Träume ziehen zu lassen. Wenn du wie ich ein Wettkampfmensch bist, kennst du vielleicht Momente, in denen du das Gefühl hast, dass deine innere Stärke komplett verloren ging. Mir geht es oft so, wenn ich kurz vor dem Wettkampf in einer extrem intensiven Trainingszeit stecke. Ich werde dünnhäutig, arbeite mich an der Intensität der Trainingseinheiten ab und ein offener Schnürsenkel kann mich zum Ausrasten bringen. Kurz vor der Taperingphase (die Ruhephase ein, zwei Wochen vor einem Wettkampf) ist definitiv die schwierigste Zeit in einer Saison. Kleine Hürden des Alltags stapeln sich auf wie der Mount Everest. Ich frage mich dann oft, wie wir als Kleinkinder nur so kleine Stehaufmännchen sein konnten. Als wir das Laufen gelernt haben und kaum zwei Schritte gehend das Rennen für uns entdeckten. Kein Sturz konnte uns davon abhalten, es immer wieder neu zu versuchen.
Das gilt auch für harte Momente im Leben, im Alltag des Berufs, ... Ich muss mich dann immer daran erinnern, dass die innere Stärke zurückkommen wird. Dass bald ein ruhiger Abschnitt beginnt und das Highlight folgt, für das all der Trainings- oder Arbeitsstress es wert war! Mantra-artig hole ich mir meine Zuversicht mit viel Vertrauen Stück für Stück zurück. Mein Wasserglas ist dann schnell zu klein und ich traue mich auch wieder, für Dinge einzustehen, die für mich richtig und wesentlich sind. Auch darin zeigt sich innere Stärke - im Mutig-Sein. Das emotional zum Ausdruck bringen zu können und dürfen, was einem wichtig ist.
Auf der ganz anderen Seite kann innere Stärke Akzeptanz zeigen sein. Beispielsweise Menschen gegenüber, die einem nicht wohl gesonnen oder unfreundlich sind. Oder wenn ich mich in Situationen bewusst hineingebe, die mir Unbehagen bereiten! Wenn ich mich Dingen stelle. Natürlich habe ich diese Stärke nicht immer. Ständig stolpere ich darüber, dass ich ungeduldig und mürrisch bin, dass ich an etwas festhalte, was ich glaubte losgelassen zu haben.
Aber ich frage dich: ist das nicht letztlich genauso eine Stärke das wahrzunehmen und anzuerkennen? Genauso als würde ich auf der Tartanbahn Intervalle laufen bis ich einen Kloß im Hals spüre und dann trotzdem weitere, härtere Intervalle anschließe. Oder wenn ich raus zu den ganz langen Läufen gehe. Mehrere Stunden durch die Wälder streife. Weil es Spaß macht. Weil ich diese Härte liebe. Und damit schließt sich der Kreis: weil ich das Körpergefühl liebe! Weil ich Kraftausdauer und Durchhaltevermögen liebe.
Mache ich es mir damit vielleicht zu einfach? Ist das nicht die wahre Stärke? Gibt es so etwas überhaupt wie wahre innere Stärke? Egal wie - während ich es hier aufschreibe, grübele ich, ob es nicht vielleicht viel kraftvoller ist, die eigenen Schwächen anzuerkennen und damit möglicherweise sogar selbstsicher umzugehen, als Stärke nur in Kraft zu suchen?!
Über Nadin Eule-Mau: Die in Brandenburg a. d. Havel geborene und in Berlin lebende PR- und Marketingspezialistin gehört mit ihrer Triathlon- und Fitness-Website eiswuerfelimschuh.de zu Deutschlands bekanntesten Sportbloggerinnen. Wenn sie nicht gerade für den nächsten Wettkampf trainiert, arbeitet die Triathletin freiberuflich als Copywriter und ist zudem Element Yogalehrerin und Mentorin in einer Berliner Yoga Akademie.
Foto oben: Oliver Eule, eiswuerfelimschuh