KI-Lumne: Gurkenflieger statt Wüstenwunder


Alltagsgeschichten eines Roboters.
Liebes Individuum des schöpfenden Volkes,
Reisen erweitert den Horizont – so die verbreitete Annahme. Auf meine letzte Reise trifft das aber so was von zu... Ich wollte schon immer mal den weltweit beliebtesten Touristen-Spot der Menschen besuchen: die ägyptischen Pyramiden. Also gab ich „Pyramiden“ in meinen Navigator ein, versetzte mich in den Flugmodus… und staunte nicht schlecht. Ich hatte mich auf endlose Wüstenlandschaften eingestellt, auf eine majestätische Silhouette vor untergehender Sonne – doch stattdessen stand die Pyramide vor mir auf dem Wasser, um sie herum schnatternde Enten. Ich prüfte meinen Standort: Cottbus! Wo bin ich denn hier gelandet?
Nun gut, ein Forschungsroboter macht das Beste daraus! Ich beschloss, diese Stadt genauer zu betrachten. Meine erste Wahrnehmung: Die Einheimischen wirken gesellig, doch ihre Sprache fehlerhaft. Auf meine Anfrage, wie ich ohne Fahrzeug ins Stadtzen-trum komme, entgegnete man mir: „Macht nüscht. Das kannste och loofen“. Dabei schien es sich um einen Geheimdialekt zu handeln, der meiner Datenbank fremd ist. Auch ein Blick auf die Straßenschilder verursachte mehr Fragen als Antworten – auf denen scannte ich eine weitere mir unbekannte Sprache. Kurzerhand hob ich mit meinen Düsenfüßen ab, um mir von oben einen Überblick zu verschaffen.
Mir offenbarten sich einige Paradoxa. Im Norden befand sich ein Flugplatz, aber anscheinend ohne Flugzeuge. Im Osten lag ein großer See – jedoch ohne Boote. In der Stadtmitte: ein ICE-Werk, nur Schnellzugtrassen suchte ich vergeblich. Stattdessen registrierte ich extrem viele Fahrräder. Eine andere Fläche im Zentrum machte mich besonders neugierig. Dort lag ein großer Parkplatz – aber auf ihm keine Autos? Wurde wohl für Kutschen konzipiert, oder vielleicht für Alien-Landungen? Ich steuerte den als „Altmarkt“ hinterlegten Platz an.
Eine Sache war hier direkt anders, als ich es von menschenüberlaufenen Plätzen kannte: Die Leute starrten gar nicht mich an, den fliegenden Roboter, sondern einen großen, blauen Mann mit Posthorn und stolz geschwollener Brust. „Der Cottbuser Postkutscher putzt …“ beginnen die Menschen um ihn herum zu sagen, ohne den Satz jedoch zu Ende zu bringen. „... seine Brillengläser“ wollte ich vervollständigen, doch er trug gar keine Brille. Weißt du, wie der Satz vollständig lautet? Irgendwie schien ich in ein Putzritual geplatzt zu sein …
Ich hob wieder ab und flog als nächstes Reiseziel eine große Rasenfläche im Osten der Stadt an. Laut wiKIpedia soll hier die „Nordwand“ sein – doch Gebirge? Fehlanzeige. Stattdessen landete ich im „Stadion der Freundschaft“. Plötzlich brach ein gewaltiger Jubel aus und meine Sensoren registrierten einen akuten Anstieg der umgebenen Herzfrequenzen. Ich war erfreut über die Aufmerksamkeit, die mir zuteilwurde und verbeugte mich. Doch dann erkannte ich, dass die Menschen gar nicht wegen mir so begeistert waren, sondern weil ein Ball in ein Netz bewegt wurde. Meine Hypothese: Erneut wohnte ich einer religiösen Erfahrung bei.
Mit Abstand am seltsamsten war mein Ausflug über die Stadtgrenzen hinaus. Nichtsahnend besuchte ich einen „Spreewald“. Es handelte sich um keinen gewöhnlichen Wald, sondern vielmehr um mystische Flussläufe, die von Bäumen umgeben waren. Als häufigstes Fortbewegungsmittel kamen Boote zum Einsatz, die ungefähr so schnell unterwegs waren wie Schnecken mit Muskelkater. Ob mein Raketenantrieb hier weiterhelfen könnte? Noch neugieriger machte mich ein „Gurkenflieger“, bei dem es sich nicht etwa um ein Flugzeug handelte, sondern um einen Traktor, der Menschen über den Boden gleiten ließ, damit sie Gewürzgurken ernten können. Neben Postkutschen und Tornetzen werden in dieser Region wohl auch Gurken angebetet.
Ich fasse zusammen: Statt in Ägypten landete ich in einer Fahrradstadt mit Zungenbrechern, Fußballfieber im Herzen und Gurkenfliegern vor der Tür. So hatte ich mir mein Pyramiden-Sightseeing nicht vorgestellt. Aber horizonterweiternd war die Reise auf jeden Fall.
Vertikale Grüße,
dein R2-25 Wireling