Das Lausitzer Superwahljahr 2024
Wie sieht die Zukunft unserer Region aus? Am 9. Juni bei der Kommunal- und Europawahl und am 1. (Sachsen) bzw. 22. September (Brandenburg) zur Landtagswahl bestimmst du mit. Fotos: Andreas Franke
Für die Lausitz wird 2024 zum Superwahljahr. Gleich drei Mal kannst du von deinem Recht Gebrauch machen und bei der Kommunal-, Landtags- und Europawahl beeinflussen, wer demnächst die Geschicke unserer Region leiten soll – eine Entscheidung, die nicht gerade leicht wiegt.
Lausitz im Wandel
Denn mit der Strukturentwicklung befinden wir uns in einer Zeit drastischer Veränderungen, in der sich die Lausitz, flankiert von Investitionen in Höhe von 20 Mrd. Euro – eine Auswahl konkreter Projekte findest du auf S. 73 – von einer Kohle- hin zu einer Modellregion für Transformation und Klimaschutz wandelt. Gerade die politischen Entscheidungen der nächsten Jahre werden unsere Zukunft also nachhaltig prägen.
Stolperstein
Dabei hat vor allem die Europawahl den Ruf einer Protestwahl, bei der meist nicht mal jede:r Zweite teilnimmt, erarbeitet – etwas, was sich die Lausitz nun nicht leisten kann. Von der europäischen Ebene, die unsere Region wie kaum eine andere durch Milliarden an Förderung profitieren lässt, bis zur kommunalen Ebene, die finanzierte Projekte vor Ort umsetzt, bedarf es nun einer reibungslosen Zusammenarbeit, damit der Wandel glatt läuft. Wir wollen jetzt nicht belehren, wen du zu wählen hast, sondern bieten dir neben einem kleinen Extra (siehe rechts) lediglich einen trockenen Faktencheck zu den zwei wichtigsten Themen für die Lausitz: Zuwanderung und Energiewende – damit du dir selbst ein Bild machen kannst.
Ankreuzen leichtgemacht
Am 9. Juni und 1. bzw. 22. September hast du die Wahl: Wählen gehen oder nicht? Vielleicht gehörst du ja zu denen, die in diesem Jahr zum ersten Mal ihre Kreuze setzen dürfen. Berechtigt bist du bei den Europawahlen nämlich neuerdings schon ab 16 Jahren. In Brandenburg gilt das auch für die Kommunalwahlen sowie für die Landtagswahlen. Lies dir die folgende Anleitung durch, damit deine (erste) Wahl glatt läuft.
Heute ist Wahltag? Befolge diese 12 Schritte ...
- Wecker stellen. Sicher ist sicher, zumindest Redakteur Joko schläft gern, bis es wieder dunkel ist
- Hose anziehen. Wenigstens an diesem einen Sonntag kann man das mal machen.
- Moby Dick gedenken. Schließlich ist Wahltag!
- Nicht vergessen: Perso und Wahlzettel. Ohne wird dich der Türsteher nicht reinlassen. Immerhin: Der Eintritt wird frei sein.
- Das Haus tatsächlich verlassen – und nicht wieder ins Bett gehen.
- Karten-App öffnen und zum Wahllokal navigieren. Oder bist du etwa über 30 und hast noch einen Orientierungssinn?
- An der Schlange anstellen. Leider gibt’s dort keinen Fast Entrance mit Gästeliste. Auch ein Warte-Bier kommt nicht so gut.
- Wahlzettel durchlesen. Sicherstellen, dass du den Zettel nicht falsch herum hältst, so wie Homer Simpson seine Zeitung.
- Die erforderliche Anzahl Kreuze in Kreise setzen. Den Stift dabei nicht in den Mund nehmen und keine weiteren Kreise dazumalen.
- Den Wahlzettel maximal achtmal zusammenfalten (einmal reicht auch), dabei dem eigenen Origami-Drang widerstehen.
- Die Stimme abgeben, indem du den Wahlzettel in die Wahlurne steckst. Dabei den vorhandenen Schlitz nutzen – und keinen neuen hinzufügen.
- Das Wahllokal verlassen, nach Hause zurückkehren, Hose wieder ausziehen – geschafft!
Faktencheck Immigration
Der Teufel liegt im Detail
„Durch Zuwanderung hat Deutschland eher Nach- als Vorteile” – so denken laut ARD-DeutschlandTREND (Okt. 2023) ca. 64 % der Deutschen und ebenso viele sprechen sich laut einer Umfrage des NDR (Okt. 2023) für die Aufnahme von weniger Geflüchteten aus – zumindest bei einer pauschalen Ja-oder-Nein-Frage. So zeigt letztere Erhebung auch, dass eine Mehrheit die Aufnahme von Geflüchteten befürwortet, solange diese aufgrund von Verfolgung (62 %) oder Krieg (71 %) ihre Heimat verlassen. Und eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (2019) mit ähnlichen Zustimmungswerten für Geflüchtete (67 % und 73 %) ermittelte, dass potenzielle Arbeitskräfte für Branchen mit Personalmangel sogar noch willkommener sind (79 %).
Einwanderungsland
… so wird Deutschland von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) bezeichnet. Und tatsächlich lag die hiesige Fertilitätsrate von 1970 bis 2021 bei nur 1,46 Kindern pro Frau und damit deutlich unter dem Wert von 2,1 Kindern, der nötig wäre, damit die Bevölkerung nicht schrumpft. Dass sie stattdessen sogar wächst, haben wir der Zuwanderung zu verdanken. Das Resultat: Laut destatis hat heute mehr als jeder Vierte in Deutschland einen Migrationshintergrund (14 % sind Ausländer mit eigener Migrationserfahrung), bei unter 15-Jährigen sogar fast 40 %. Der Arbeitsmarkt spiegelt dies auch wider, wo schon Großteile ganzer Branchen, wie z.B. der Hochbau (49 %), von Ausländern abhängig sind.
Unser Zuwanderungsproblem
Die Pyramide steht Kopf
Zudem wird sich dieser Trend weiter fortsetzen, da laut destatis bis 2036 mit den Babyboomern 18 Mio. Menschen in Rente gehen – aber nur 11 Mio. nachrücken. So würde ohne einem positiven Wanderungssaldo die Erwerbsbevölkerung von 43,6 Mio. in 2019 bis auf 28,2 Mio. in 2060 sinken. Um diese lediglich zu halten, wäre laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bis dahin jährlich eine Nettozuwanderung von 400.000 Personen nötig. Und die Betonung liegt hier auf NETTO.
Hereinspaziert
Da viele Zugewanderte nämlich nicht dauerhaft bleiben und im Gegenzug wiederum auch Deutsche auswandern, geht Herbert Brücker, Leiter des Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ am IAB, davon aus, dass es zum Erreichen einer Nettozuwanderung in dieser Höhe zukünftig pro Jahr Zuzüge im Bereich von nicht weniger als 1,5 bis 1,6 Millionen Menschen bedarf.
Von weit weit weg
Zuzüge in dieser Größenordnung sind aber nur möglich, wenn auch Menschen aus Drittstaaten nach Deutschland kommen. Das zeigt eine Prognose der Bertelsmann Stiftung von 2019. Durch mittlerweile abflauende Effekte der EU-Osterweiterung und Staatsschuldenkrise in Südeuropa würden die Zuzüge aus EU-Staaten nach Deutschland so sinken und schon ab 2025 auf unter 400.000 Personen fallen (damit fehlen über eine Millionen). Zudem hat die EU mit einer durchschnittlichen Fertilitätsrate von 1,53 Kindern pro Frau (2021) dasselbe Problem wie Deutschland mit aktuell 1,46 Kindern (2022).
Knappe Kiste
Auch in den letzten Jahren wurde, trotz einer verstärkten Zuwanderung, im Zeitraum von 2010 bis 2021 durchschnittlich mit circa 424.000 Personen die anzupeilende Marke von 400.000 nur geradeso erreicht. Ungeachtet dessen und dem Fakt, dass in Deutschland mit einer Erwerbslosenquote von 3,1 % (Dezember 2023) nahezu Vollbeschäftigung herrscht, leidet die Wirtschaft bereits heute an einem Fachkräftemangel und einem damit einhergehenden Verlust, den die Deutsche Industrie- und Handelskammer auf 100 Mrd. Euro im Jahr schätzt – was den Ernst der Lage verdeutlichen dürfte.
Hier geht’s zur interaktiven Bevölkerungsvorausberechnung von destatis mit variablen Szenarien.
Die älteste Region der Welt
Recruitung am Limit
Und dabei ist besonders die Lausitz betroffen. Laut der Agentur für Arbeit Cottbus lag die hiesige Vakanzzeit (ein Wert, der ausdrückt wie lange Unternehmen brauchen, um eine offene stellen zu besetzen und damit repräsentativ für die Schwere des Fachkräftemangels steht) mit 152 Tagen deutlich über dem Bundesschnitt von 121 Tagen. Weiterhin nahmen beim Lausitz Monitor 2023 fast zwei Drittel der Befragten einen starken Fachkräftemangel bei ihrem Arbeitgeber wahr. Grund dafür ist, dass nicht alle Regionen Deutschlands von den verstärkten Zuzügen der letzten Jahre profitiert haben.
Suchen, wo nichts ist
So lebten 2022 rund 94,6% aller Personen mit Migrationshintergrund im Westen und in Berlin. Der Osten hat kaum Anteil am Bevölkerungswachstum „Gesamtdeutschlands” und damit 2019 einer Studie des ifo Instituts zufolge eine Population, so niedrig wie 1905. Darum ist auch besonders die Lausitz vom Fachkräftemangel betroffen, da hier auf der einen Seite durch den Strukturwandel über 20.000 neue Jobs entstehen, auf der anderen Seite das Durchschnittsalter 2020 mit knapp 48,8 Jahren (brandenburgische Lausitz) aber über dem Japans, dem ältesten Land der Welt, lag und die Erwerbsbevölkerung noch weiter sinkt:
Willkommenskultur
Die Lausitz hat kein Abwanderungsproblem. Das verdeutlicht eine Studie der BTU für die brandenburgische Hälfte von 2023, die zeigt, dass der hiesige Wanderungssaldo von 2015 bis 2021 immer in einem positiven Bereich zwischen 2.500 und 5.000 Personen lag, der Bevölkerungsrückgang dadurch aber trotzdem nicht gebremst werden konnte und pro Jahr gut 1.000 Menschen betrug. Auch wenn mit dem Strukturwandel und Investitionen in Höhe von 20 Mrd. Euro in der Lausitz gerade eine Vielzahl zukunftsträchtiger Projekte entsteht, braucht es dringend eine verstärkte Zuwanderung, um sowohl die über 20.000 neuen Arbeitsplätze zu füllen, als auch das, durch die Überalterung, extrem sinkende Erwerbspotenzial aufzustocken.
Akzeptanz statt Vorurteile
German Angst
Dass die teilweise abgelehnt wird, liegt laut Deutschland-Monitor 2022 an Sorgen über zu hohe Kosten für den Staat und die Kriminalität. Dabei sank letztere nach Bundeskriminalamt seit 1993 aber fast konstant und erreichte durch Corona 2021 ihren Tiefpunkt, wonach sie 2022 lediglich auf ein Niveau zurückkehrte, das noch unter dem von 2017 liegt. Und auch wenn Ausländer mit knapp jeder dritten Straftat überproportional vertreten sind, liegt das auch daran, dass sie eher jünger und männlich sind. So liegt das Durchschnittsalter der, seit dem Jahr 2013 Eingewanderten, bei 29,9 Jahren, das von Deutschen bei 47 Jahren.
Investitionen statt Ausgaben
Und wenn man bedenkt, dass der Fachkräftemangel bereits über 100 Mrd. Euro kostet, relativieren sich die Ausgaben für Flucht und Migration (Aufnahme bis Soziales) von 48,2 Mrd. Euro und für das Bürgergeld (inkl. Verwaltung etc.) von 43,8 Mrd. Euro im Jahr 2023. Zumal gerade beim oft kritisierten Bürgergeld Menschen mit Migrationshintergrund unter den 3,93 Mio. arbeitsfähigen Empfängern mit 62 % zwar den Großteil ausmachen, die Gründe wie mangelnde Sprachkenntnisse aber auf der Hand liegen (so besuchen gut 2,33 Mio. der 3,93 Mio. Weiterbildungsmaßnahmen, haben Minijobs usw.).
Weiterhin steigt die Erwerbstätigenquote von Geflüchteten innerhalb von 7 Jahren Aufenthalt in Deutschland auf 62 %. Bei Männern mit rund 75 % entspricht das sogar fast dem deutschen Durchschnitt. Damit werden die jährlichen Ausgaben vom Rentensystem und der Krankenkasse (117 bzw. 289 Mrd. Euro in 2023) maßgeblich von Menschen mit Migrationshintergrund mitgetragen, während diese lediglich 11,5 % der davon Profitierenden über 65-Jährigen ausmachen.
Nicht stur stellen
Gerade in einer Region wie der Lausitz mit schrumpfender und überalterter Bevölkerung brauchen wir also eine Debatte, wie die Integration von mehr Leuten gelingt, anstatt wie sie verhindert werden kann – denn möglich ist sie allemal und auch notwendig.
Faktencheck Energiewende
Fakt ist Fakt
Der menschengemachte Klimawandel ist schon lange wissenschaftlicher Konsens. Das zeigt unter anderem eine Untersuchung an der Cornell-Universität in Ithaca, New York, von 2021, die 88.125 wissenschaftliche Arbeiten des Fachgebiets aus den Jahren 2012 bis 2020 analysierte und lediglich 28 mit einer abweichenden Meinung fand. Selbst 2009 zeigte bereits eine Umfrage unter 3.146 Wissenschaftler:innen auf, dass in der Klimatologie zu über 97 % Konsens herrscht – in der Geologie mit Verbindung zur Privatwirtschaft dagegen nur zu 47 %.
Kopf im Sand
Und so wurde über die Jahre anscheinend der Eindruck vermittelt, den bestehenden Konsens gebe es gar nicht. Bei einer Umfrage des The Policy Instituts vom King's College London wähnten die Deutschen nämlich die Übereinstimmung in der Wissenschaft bei nur 69 % und einer Erhebung von YouGov im März 2023 zufolge glaubten in Ostdeutschland gerade mal 57 % der Befragten an den menschengemachten Klimawandel (25 % nicht), im Westen 65 % (21 % nicht).
Feuer unterm Hintern
Dabei sind dessen Auswirkungen schon heute spürbar. Laut EU-Klimawandeldienst Copernicus war 2023 mit 1,46 °C über dem Referenzwert 1961 bis 1990 das heißeste Jahr seit 125.000 Jahren. Bei weiter steigenden Emissionen wäre so, laut dem sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarat IPCC, mit einem Temperaturanstieg von bis zu 5,7 °C und einem Meeresspiegelanstieg von bis zu über einem Meter bis 2100 zu rechnen, was wiederum vermehrt Naturkatastrophen nach sich ziehen würde. Gleichzeitig würden dann laut einer großangelegten Studie von 2013 rund 57 % der Pflanzen- und 34 % der Tierarten bis 2080 die Hälfte ihres Lebensraums einbüßen.
Weitere Metastudien, die den wissenschaftlichen Konsens belegen: Oreskes 2004, Doran 2009, Anderegg 2010, Cook 2013, Verheggen 2014, Stenhouse 2014, Carlton 2015, Cook 2016, Powell 2019, Lynas 2021, Myers 2021, …
Grabesstimmung
Mehr als „nur” 1,8%
Deswegen hat sich Deutschland im Übereinkommen von Paris mit 194 weiteren Staaten dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C, wenn möglich 1,5 °C zu begrenzen, mit dem selbst gesteckten Ziel, 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Denn als drittgrößte Industrienation mit 12,45 % Anteil am weltweiten Handel beeinflusst Deutschland die globalen Emissionen weit mehr, als der im Inland gemessene Beitrag von 1,8 % suggeriert, womit auch eine gewisse Verantwortung einhergeht. Wobei, da alle Staaten mit einem Anteil von unter 2 % zusammen ganze 41,5 % ausmachen, sich dieser eh kein Staat entziehen kann.
Frühe Resignation
So befürworten laut dem Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer von 2023 auch 68,3 % der Deutschen die Energiewende, aber mit sinkender Zustimmung. 2022 waren es noch 74,1 % und laut einer Forsa-Umfrage von 2023 glauben nur noch 10 %, dass der Energiebedarf in absehbarer Zeit allein durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann – 2011 waren es zumindest noch 39 %. Und im Zuge dieses mangelnden Optimismus schwindet auch die Zustimmungswerte für den Ausbau Erneuerbarer Energie ganz allgemein, die laut der Agentur für Erneuerbare Energien von 2010 bis 2023 von 95 % auf 81 % gefallen sind.
Hausgemachter Pessimismus
Dabei haben, laut einer Studie der Universität Lausanne von 2023, wo die Berichterstattung zu 50.000 wissenschaftlichen Artikeln analysiert wurde, gerade die Medien dies mit zu verantworten. So behandelten fast zwei Drittel der aufgegriffenen Artikel die Schwere des Klimawandels (nur 27 % der Publikationen), während Regionales und Lösungen bis zu 7-mal unterrepräsentiert waren. Da verwundert es nicht, dass der Lausitz Monitor 2023 zeigt, dass hier, wo der Strukturwandel auch stattfindet, durch Resignation nur fast die Hälfte die Energiewende unterstützt und die Befürwortung des Kohleausstiegs laut der Ariadne-Analyse von 2023 sogar teils rückläufig ist, wie in Spree-Neiße (40 % in 2017 – 22 % in 2019).
Boom statt Bruchlandung
Das große Geld
Dabei läuft die Energiewende gerade global auf Hochtouren. So erreichten die weltweiten Investitionen in CO2-arme Technologien in 2023 laut einer Studie von BloombergNEF vom Januar 2024 rund 1,77 Billionen US-Dollar (2019 waren es noch „nur” 565 Billionen). Davon fließt der größte Teil in den elektrifizierten Verkehr (634 Mrd. $) und Erneuerbare Energien (623 Mrd. $), aber neue Technologien verzeichneten gegenüber 2022 auch deutlich höhere Investitionen, wie Wasserstoff mit 300 Prozent. Mit dem Resultat, dass nach Prognosen der Internationalen Energieagentur Erneuerbare schon 2025 mit einem Drittel der weltweiten Stromerzeugung Kohle als wichtigsten Energieträger ablösen sollen.
Aufwind 2.0
Und auch Deutschland verzeichnete 2023 einen Rekordausbau der Solarenergie mit 14 Gigawatt (155 % des Ausbauziels) und mit rund 3,5 Gigawatt (79 % des Ausbauziels) an neuen Onshore-Anlagen und 7,5 Gigawatt an neuen Genehmigungen ein Niveau bei der Windenergie, das wieder dem des Zeitraums 2014 bis 2017 entspricht. Damit stieg der Anteil Erneuerbarer Energien am Strommix erstmals auf fast 60 Prozent und das obwohl Deutschland laut der Studie von BloombergNEF mit einem Investitionsvolumen von 95,4 Milliarden Dollar, gemessen am Anteil des BIPs, nicht gerade überproportional Geld aufbringt als der globale Durchschnitt: 2,32 % zu 1,7 %.
Das Wright'sche Gesetz
… besagt, dass bei steigender Gesamtproduktion eine Technologie immer billiger wird. Und genau dieser Effekt hat auch bei den Erneuerbaren Energien gegriffen, deren Kosten innerhalb des letzten Jahrzehnts (2012 bis 2022) drastisch gesunken sind, wie bei Offshore Wind (73 %), Solar (8 %) und Batterien (80 %). So lagen laut einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft aus 2019 die Stromentstehungskosten pro Kilowattstunde von Solar und Onshore-Wind mit rund 6 Cent und 7 Cent schon beinahe auf dem Niveau von Kohle (ohne CO2-Preis etc.) mit 4 Cent. Und laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts aus demselben Jahr wird z.B. der Preis für Solar weiter auf bis zu 1,92 Cent in 2040 sinken.
Auf eigenen Beinen
Zumal Erneuerbare Energien für Deutschland, dessen Primärenergieverbrauch 2022 zu knapp 70 % von Importen aus dem Ausland abhing, eine Chance sind, autark zu werden und bei allein Erdgas und Rohöl jährlich durchschnittliche (2008 bis 2014) Kosten von insgesamt 80 Mrd. Euro zu sparen. Und die aktuelle Energiekrise, bei der die Kosten 2022 sogar auf 59 Mrd. Euro für Erdgas- und 71 Mrd. Euro für Rohöl-Importe gestiegen sind, verdeutlichte nochmal, wie wichtig Unabhängigkeit in diesem Bereich ist.
Die Lausitz geht voran
Doch beim Verwirklichen dieses Ziels hat Deutschland noch eine langen Weg vor sich – Erneuerbare Energien hatten so 2022 gerade einmal einen Anteil von 17,6 Prozent am Primärenergieverbrauch. Während diese nämlich schon fast 60 Prozent der Nettostromversorgung decken, fehlt es z.B. in der energieintensiven Industrie noch an effizienten Alternativen zu fossilen Energieträgern. Und hier kommt die Lausitz ins Spiel, die mit Investitionen in der Höhe von 20 Mrd. Euro durch den Strukturwandel zu einer Modellregion für Transformation und Klimawandel wird. Und dabei stellt nicht nur die LEAG von 8 Gigawatt Leistung durch Braunkohle auf 14 Gigawatt aus Erneuerbaren um. Viele weitere Projekte von europaweiter Einmaligkeit sorgen hier neben einem wichtigen Beitrag, unsere Wirtschaft CO2-neutral zu machen, auch dafür, die Lausitz auf dem Gebiet eines boomenden Marktes, wie man an der BloombergNEF Studie sehen konnte, voranzubringen. Zu 3,5 Mrd. Euro zur Dekarbonisierung der Industrie und einer Ausschreibung der Lausitz zu einem „Net Zero Valley”, durch die EU, was hier massiv beschleunigte Bauvorhaben mit sich bringt, kommen viele weiter Vorhaben – eine Auswahl findest auf S. 73.
Die Chance ist da, jetzt muss die Lausitz sie nur richtig nutzen.