Punkrock, Politik und Party
Im Interview: Schwindelbude, die Gewinner unseres Punk- und Oi!-Fanvotings.
Schwindelbude – das sind Schloise, Piffi, Ben, Steini und Kette, eine Finsterwalder Punkrock-Band. In wechselnder Besetzung gibt’s die Truppe seit 2007 – und kaum einer weiß noch, warum sie eigentlich so heißen. Bekommen wir bei diesem Fanvoting-Sieger nur Lügen aufgetischt? Wir lüften das Geheimnis und kommen über Punk ins Gespräch.
In welcher Situation hattet ihr eure erste Begegnung mit Punkrock?
Kette: Das ist bei mir sehr lange her. Wahrscheinlich war‘s auf dem Schulhof, wo wir „Schlachtrufe“-Sampler und grottig kopierte Exploited-Tapes getauscht haben. Das wurde dann sehr schnell zu einer Art Wettbewerb, wer nun die krasseste Band entdeckt hatte.
Ben: Auch mir überreichte jemand eine gebrannte „Schlachtrufe“-CD!
Schloise: Witzigerweise hat mein alter Herr immer lautstark beim Abwaschen „Skeptiker“ gegrölt, da waren die Platten schnell bei mir im Zimmer. Mein großer Bruder hatte mir mit 13 ein Tape mit „L'attentat“ und „Schleimkeim“ geschenkt. Das war der Start.
Steini: Durch meine ältere Schwester habe ich bei Zeiten „Die Toten Hosen“ und „Die Ärzte“ gehört. Irgendwann in der Grundschule kam ich dann mit diversen Samplern in Berührung, darunter die „BRD Punk Terror“ und „Sicher gibt es bessere Zeiten“.
Piffi: „Sicher gibt es bessere Zeiten“ zählte auch zu meinen ersten Punksamplern, genauso wie Schlachtrufe.
Was machte Punkrock für euch aus, sodass ihr euch seitdem damit beschäftigt?
Kette: Musikalisch sicher die Einfachheit der Musik. Es gibt keine große Hürde damit anzufangen. Es genügt ein bisschen Frust und etwas zusammengeschnorrtes Equipment. Als Lebenseinstellung war es anfangs das schlichte „Dagegen-Sein“ – eine grundsätzliche Antihaltung gegen alles und jeden. Das hat sich zum Glück mit der Zeit etwas differenziert.
Schloise: Punk ist für mich ein „Alles kann, nichts muss“-Ding. Ich höre auch viel Metal und bin der Meinung, dass sich beides sehr gut vereinbaren lässt. Die Menschen auf den Konzerten und Festivals machen, neben der Musik, einfach Spaß und tragen dazu bei, sich als großes Ganzes zu sehen.
Ben: Anders sein, anders leben und Community – das macht Punk für mich aus.
Steini: Musikalisch ist es eher die Vielfalt. Da irgendwie alle modernen Musikrichtungen ihren Ursprung im Punk haben, auch wenn es die einen oder anderen nicht immer wahr haben wollen.
Piffi: Ich mag es, wie im Punkrock soziale und politische Themen angesprochen werden können. Dadurch kann man im besten Falle viele Menschen mit seinen Themen erreichen und sie damit ermutigen, unterstützen, Freude bereiten, Hoffnung geben oder auch mal trösten.
Wie kamt ihr auf den Namen „Schwindelbude“ und welche Bedeutung hat er für euch?
Schloise: Keen Plan.
Kette: Da ich erst 2013 dazu gestoßen bin, gab es den Namen schon. Vielleicht wurde es mir mal erklärt, wie es dazu kam und ich habe mal wieder nicht zugehört. Für mich bedeutet es irgendwie: die Coverband, die nicht mehr covert – also nicht das ist, was mal versprochen wurde. Vielleicht erfahre ich mehr durch dieses Interview und merke es mir endlich mal.
Steini: Schon mal South Park, Staffel 2, Folge 13 gesehen? Von da stammt der Name. Ursprünglich haben wir nur Cover gespielt. Daher war der Name Programm.
Piffi: Das was Steini sagt.
Wie hat sich die Punker-Szene seit eurer Gründung 2007 verändert?
Kette: Grundsätzlich ist die Szene älter geworden. Es gibt gefühlt kaum noch Nachwuchs. Es wäre schön mal wieder ein paar neue, jüngere Gesichter auf Konzerten zu sehen.
Steini: Gerade bei Festivalbesuchen nach Corona war es krass zu sehen, wie alt alle geworden sind. Auch vor der Bühne ist es daher sehr ruhig geworden.
Kette: Allgemein ist dadurch die Szene aber auch reifer geworden. Stumpfe Parolen sind zu ausgereiften politischen Ansichten gewachsen.
Ben: Korrekt, es gibt kein einfaches „Dafür oder dagegen?“ mehr. Man muss viel mehr Sachen hinterfragen und recherchieren.
Piffi: Allgemein habe ich das Gefühl, dass heutzutage in bestimmten Bereichen mehr auf political correctness geschaut wird, was richtig und wichtig ist. Nur gilt es, dabei natürlich auch das richtige Maß zu bewahren.
Schloise: Sicherlich ist in den Jahren auch alles mehr „PC geworden“ – kann man machen, muss man aber nicht.
Was macht euch als Punker charakterlich aus?
Schloise: Doofe Frage, keine Ahnung. Bin kein Punk :D
Kette: Ich schon! Wobei, im Alter bin ich verhältnismäßig spießig geworden. Aber geblieben ist der Reflex, immer erstmal das Gegenteil von dem zu tun, was durch Autoritäten erwartet wird – oder auch meine DIY-Einstellung, alles selbst zu machen, auch wenn man dabei krachend scheitert.
Steini: Ich glaube, es ist das Gesamtbild, bestehend aus den sogenannten „drei P“: Punkrock, Politik und Party. Leider nimmt mit dem Alter die Verantwortung zu. Dadurch werden die P’s kleiner.
Auf welchen Punker-Look seid ihr überhaupt nicht mehr stolz?
Kette: „Nicht stolz“ ist übertrieben, aber die viel zu eng geschnürten 20-Loch-Stiefel waren eventuell etwas drüber. Zumal man sich massiven Blutverlust und diverse Blasen erspart hätte. Aber Stil über Bequemlichkeit.
Steini: Meine kaputten blauen Tartan-Hosen, aus denen meine halbe Unterhose rausgeschaut hat.
Piffi: Da gibt es nichts. Ich stehe voll hinter dem, was ich getragen und verkörpert habe!
Wer ist euer musikalisches Vorbild?
Kette: Das Wort Vorbild ist vielleicht etwas hoch gegriffen, aber zur Inspiration mag ich schrammligen Deutschpunk wie Schleim-Keim, Toxoplasma und Gewaltbereit, den 80er-Hardcore in Richtung der Dead Kennedys, Minor Threat, 7-Seconds, gerne auch Crust und D-Beat.
Schloise: Ohne Frage, auf jeden Fall: Loikaemie! Die Helden meiner Jugend. Troopers sind auch knufte und Schleimkeim lief bei uns rauf und runter. Ansonsten fühle ich mich auch im Metal ganz wohl.
Piffi: Für mich war es immer Deutschpunk wie z.B. WIZO, Dritte Wahl und Fuckin Faces.
Welchen eurer Songs würdet ihr Neulingen empfehlen, um euch bestmöglich kennenzulernen?
Kette: Unser beliebtester Song scheint „7810“ zu sein. Der Song, in den wir am wenigsten Mühe gesteckt haben. Irgendwas daran scheint den Menschen zu gefallen. Sobald wir die Formel geknackt haben, machen wir nur noch Gassenhauer wie „7810“ und du findest uns auf dem Bravo-Cover.
Piffi: Der Song „Alte Zeit“ beschreibt uns ganz gut, da in ihm viele reale Erlebnisse verarbeitet wurden. Aber eigentlich sind alle unsere Songs und selbstverständlich auch die kommenden empfehlenswert. :-)
Wann darf man denn neue Musik von euch erwarten?
Piffi: Auf Konzerten spielen wir schon neue Songs, die nicht auf unserer Platte (CD, Spotify, Youtube, etc.) sind. Und wenn alles nach Plan läuft, wird es bald auch neue Sachen zu hören geben.
Kette: Tatsächlich haben wir Anfang des Jahres einen neuen Proberaum bezogen und sind gerade dabei, dort ein Tonstudio einzurichten. Wenn das fertig ist, werden wir neue Lieder einspielen. Ob das neue Album dieses Jahr noch fertig wird ist schwer zu sagen, aber im nächsten Jahr wird es bestimmt soweit sein.
Wir danken für das Interview.
Next dates
12.04. – Basta Görlitz
06.-08.09. – CheckOut Festival
09.11. – Fürstenwalde