Partymachen mit einem Pastor

Partymachen mit einem Pastor
Partymachen mit einem Pastor

Dirk aka. Humbug bezeichnet sich selbst als Vagabund. Der mit 34 Jahren älteste Gewinner unseres Fanvotings bekam zahlreiche Stimmen aus seinen früheren Stuttgarter Kreisen. Nach kurzer Zeit in Großräschen zog er 2022 nach Cottbus. Das DJing und Mitwirken bei Partys sind dabei die Konstanten in seinem Leben – vom XXL-Gartenrave bis zur heiligen Messe hat er schon viel Undenkbares erlebt. Wir trafen ihn zum Interview in einem Wintergarten zentral in Cottbus und sprachen über Knutschereien auf dem Dancefloor, die schwäbische Polizei und Partys als das zweite Zuhause.

Seit wie vielen Jahren identifizierst du dich mit der Psy-Szene?

Ich bin 34 und war auf meiner ersten Goa-Party mit 17 Jahren – gewissermaßen ist Psytrance, und insbesondere Dark Psy, also mein halbes Leben ein Teil von mir. Mein Breakthrough-Erlebnis war das Ozora-Festival 2011 in Ungarn. Da stand ich mit meinem Sonnenhut und im sommerlichen Outfit nachts auf dem Floor bei dem Act Psykovsky, zu dem mir alle zuvor sagten: „Geh da nicht hin, der Typ ist verrückt!“. Nach Stunden des Tanzens kam ein Mädel auf mich zu und meinte: „Hi, du lächelst so schön“ – und knutschte mich ab. Das war der Moment, in dem Dark Psy angefangen hat, mir zu gefallen. :D

Was macht die Psytrance-Szene für dich so attraktiv, dass du seit 17 Jahren in ihr steckst?

Was mich von Anfang an fasziniert hat, war diese Offenheit allen gegenüber und dass du sofort so akzeptiert wirst, wie du bist. Wenn du in der Alltagsgesellschaft unterwegs bist, ist das anders – da misst du dich oft mit anderen. Durch die Psy-Szene konnte ich das vollständig ablegen. Über die Jahre fiel mir jedoch auf, dass sich das auf den spezielleren Psy-Partys wieder anders verhält. Dort gibt es manchmal Leute, die sich elitär fühlen, weil sie ausschließlich den aus ihrer Sicht krassesten Sound hören. Bei jeglichem anderem Sound haben sie dann keinen Spaß.
In den vergangenen Jahren ist das für mich immer extremer spürbar geworden. Früher war noch eher alles Eins. Mit der Fortentwicklung der Musik hat sich die Szene auseinanderbewegt. Manche fühlen sich dadurch „erfahrener“ und rutschen auf die Egoschiene.

Was könnte man aus deiner Sicht dagegen tun?

Ich hatte auch mal genauso eine Phase. Aber ich konnte mein Mind wieder öffnen und akzeptieren: Psy- Musik ist sehr vielfältig und facettenreich. Und so gibt es auch heute noch Leute, die sinnbildlich 24 Stunden auf dem Dancefloor stehen und von Progressive Trance über Psytrance bis hin zu Dark Psy und Hitech alles mitnehmen. Nicht umsonst gibt es Mixed-Floor-Konzepte mit Musik, die zur Tages- oder Nachtzeit passt. Viele Gäste mögen eine solche Abwechslung und rückblickend betrachtet ist auch diese Vielfalt etwas, was den Psy-Kosmos für mich ausmacht.

Was müsste eine Party bieten, damit du dich auf ihr heimisch fühlst?

Der Vibe von den Menschen muss passen. Es braucht eine satte Anlage, dank der man den Bass auch in der Magengrube spürt. Und mittlerweile mag ich es lieber, wenn die Party unter freiem Himmel stattfindet. Damit sind gute Grundvoraussetzungen geschaffen und ich kann schauen, was der Abend so bringt.
Darüber hinaus versuche ich immer, mir vorzunehmen, nicht mit einer bestimmten Erwartungshaltung an Partys heranzugehen. Als ich 2019 aus meiner früheren Heimat Stuttgart in die Lausitz kam und meine ersten Partys in Cottbus besuchte, nahm ich mir das vor und das hatte gut funktioniert – ich hatte schnell meinen Spaß.

In Stuttgart hattest du mit deiner Crew „Dark Enlightenment“ Partys veranstaltet. Was war die krasseste davon, von der du noch deinen Kindern erzählen möchtest?

Da gibt’s zwei. Nummer eins ist eine meiner „Stückle“-Partys – „Stückle“ nennt man in dieser Gegend ein Gartengrundstück. Meine vorigen Stückle-Partys wurden stets von der Polizei unterbrochen, weil meine Musikanlage immer bis in das Stadtgebiet schallte. Doch bei dieser einen machten wir es anders: Wir bauten ein 4-Punkt-Soundsystem auf, dank welchem die Musik auf den Mittelpunkt des Gartens ausgerichtet war. Wir stellten extra eine riesige Trasse auf und tüftelten den ganzen Tag am Sound.

Wir rechneten mit vielleicht 100 Gästen – letztendlich besuchten 400 Leute meinen Garten. Und, das Allerbeste war: Durch diese 4-Punkt-Anlage gelang es uns, den Sound nach außen so verschwimmen zu lassen, dass die Polizei immer um unseren Garten herumgefahren ist. Zusätzlich hatten wir die Grundstücksgrenzen mit Molton abgehangen, so konnten die uns nicht finden. Erst, als die Rentner ihre morgendlichen Spaziergänge machten und die ersten Nachbarn vorbeikamen, warfen wir unsere Gäste zufrieden vom Grundstück. Wenn ich in Stuttgart bin, werde ich noch heute gefragt, wann die nächste Party auf meinem Stückle ist. :D

Party Nummer zwei, an die ich immer gern zurückdenke, ist die „Masters of Puppets“-Pre-Party 2019 – eine Warm-up-Party für eines der bekanntesten Psychedelic-Festivals Europas. Unsere Location war die Chapel in Göppingen, eine originale Kirche mit bunten Kirchenfenstern und allem Drum und Dran. Als Headliner fragten wir passenderweise den bekannten Act „Pastor John“ aus Großbritannien an. Er war ganz angetan und verzichtete kurzerhand auf seine Gage, um einmal Pastor in einer Kirche zu sein. Zur heiligen Messe ballerte ich selbst als DJ am Sonntagmorgen um 8 Uhr Psycore. So etwas bleibt in Erinnerung.

Ein Garten und eine Kirche – nicht schlecht. Wenn du einen ganz eigenen Club eröffnen würdest, welche Besonderheiten würde dieser bieten?

In meinem Traumclub wäre zum einen immer ein Stand für Safer Use und Nightlife-Kompetenz vor Ort. Auf Awareness-Kompetenzen, um Leute zu beraten, aufzuklären und im Notfall Unterstützung zu leisten, lege ich viel Wert. Zum anderen würde ich versuchen, die Natur in den Club zu holen und die Atmosphäre organischer zu machen. Und wie? Da bin ich offen für Ideen. Ich dachte zum Beispiel an lebende Mooswände in Bilderrahmen, die kommen auch mit wenig Licht zurecht.

Würdest du deinen Traumclub eher in Cottbus oder in Stuttgart aufmachen?

Lieber in Cottbus. Weil ich glaube, dass es von der Mentalität der Stadtverwaltung her hier einfacher ist als in Stuttgart. Ich kann mir vorstellen, dass die Cottbuser Verwaltung das Nachtleben eher wertschätzt und darin auch Beschäftigungs- und Verwirklichungsmöglichkeiten für junge Menschen sieht. Dieses Gefühl habe ich in Stuttgart nicht – dort schloss gerade erst ersatzlos das ToY, eine Institution, so bekannt wie das U60311 in Frankfurt/Main.

Hast du – abseits von Clubs – schon einen Lieblingsort in der Lausitz für dich entdeckt?

Ich mag den Spreewald sehr. Vor kurzem war ich dort mit meiner Freundin Kahnfahren und genoss die Natur. Was mich auch geflasht hat, war die Lieberoser Heide. Es war wie in einer anderen Welt, ich fühlte mich wie in die Toskana geschmissen. Alles war sandig und roch nach Spanien. Landschaftlich hat die Lausitz im Allgemeinen für mich sehr viel zu bieten.

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