Selten haben wir eine solche Liebeserklärung zu einem Musikgenre gehört wie bei diesem Interview mit Armin aka. Boom Shankar. Der Psytrance-DJ und Label Manager gehörte in den frühen 90er-Jahren zu den ersten Anhängern der Goa-Szene und blieb seiner Leidenschaft bis heute unbebrochen treu. Vom 22. bis 24. Juli kommt er zum ersten Mal in die Lausitz – aufs Urknall Festival in Klein Buckow. Wer Psytrance bereits kennt, dem geht beim folgenden Gespräch das Herz auf – alle anderen lernen in Armin einen Traveller kennen, der seinesgleichen sucht.
Du legst seit den 90ern Psytrance auf, hast als DJ alle fünf Kontinente bereist. Was macht diese Szene für dich aus, dass du ihr so lang und intensiv treu bist?
Man sagt ja immer so schön „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ – und diesen Zauber der 90er-Jahre finde ich zum Glück immer noch bei einigen Veranstaltungen vor. Von Anfang an hat mich die Toleranz und die Akzeptanz innerhalb der Szene fasziniert. Mitte der 90er-Jahre bestand die europäische Goa Trance-Szene aus vielleicht 2.000 bis 3.000 Leuten, die man immer wieder an den gleichen, meist an Vollmond stattfindenden Gatherings wiedergetroffen hat. Das führte wirklich zu einem Gefühl, Teil einer kleinen aber international präsenten Familie zu sein. Dein Alter, Deine Arbeit, Dein Aussehen, Deine Klamotten oder auch Dein Kontostand waren immer irrelevant – es ging um den Menschen an sich, und wenn der es auf eine der Partys geschafft hatte, dann war der auch willkommen.
Die Partys wurden damals nicht im Internet promotet oder beworben. Man musste sich persönlich kennen, um via Mund-zu-Mund-Propaganda von den Partys mitzubekommen und eingeladen zu werden, und das hat zu einem sehr familiären Umfeld geführt, in dem man sich komplett entfalten konnte und Authentizität das A und O darstellte.
Darüber hinaus war Goa Trance der Neunziger Jahre mit Abstand das Kreativste, was damals innerhalb der elektronischen Szenen releast wurde. Kein Track glich dem anderen, der Aufbau und die Progression der Tracks waren nicht vorhersehbar. Dementsprechend fiel es einem sehr leicht, einen Trance-Zustand durch das Tanzen zu erreichen.
Zusätzlich habe ich die mit Abstand interessantesten Persönlichkeiten in diesen Jahren kennenlernen können, ein soziales Potpourri, das seinesgleichen suchte. Daraus sind viele Freundschaften entstanden, die seit Jahrzehnten bestehen.
Last but not least passt mein Lebensstil als Traveller perfekt zu dieser Szene. Ich bin seit vielen vielen Jahren mehr on the road als zu Hause, und das passt perfekt zum internationalen Charakter unserer Szene und zu meinem Job des Tourens. Ein großer Bonus ist auch die Möglichkeit, als Label Manager neuen Artists die Möglichkeit zu geben, innerhalb der Psytrance-Szene Fuß zu fassen und ihren Sound einer weltweiten audience zu präsentieren.
Summa summarum kann ich mir keinen besseren „Job“ und kein besseres „Zuhause“ für mich und meine Lebenseinstellung vorstellen als innerhalb der Psytrance Family. Auch wenn sich die Szene weit von ihren Ursprüngen und Idealen entfernt hat, auch wenn sie sich immer wieder dem Vorwurf der Kommerzialisierung stellen muss, so ist sie meiner Meinung nach immer noch das Interessanteste, Vielseitigste und Toleranteste, was ich innerhalb der electronic music scene vorfinde. Dementsprechend wird meine Treue ihr gegenüber weiterhin Bestand haben.
Wie hat sich die Coronapandemie auf dein Reiseverhalten und deine Gig-Anzahl ausgewirkt?
Da muss ich zwischen beiden unterscheiden. Die Anzahl meiner Gigs, die ich vornehmen konnte, ist natürlich in den letzten zwei Jahren merklich zurückgegangen. 90 Prozent meiner Bookings wurden aufgrund von Corona-Maßnahmen oder Einschränkungen gecancelt oder auf das nächste Jahr verschoben. Die letzten beiden Sommer waren dann wieder halbwegs gut, oftmals dann halt mit Einschränkungen was die Anzahl von Personen auf Festivals betrifft, aber immerhin fanden viele Bookings zumindest innerhalb Europas wieder statt.
In den Winter- und auch Frühlingsmonaten war das dann wieder ein anderes Bild. Da hatte ich ziemlich viel Glück – oder auch Pech, kommt immer auf die Sichtweise drauf an. Als die erste Welle durch Europa rauschte, saß ich in Asien fest. Ich bin von Thailand Ende Februar nach Cambodia für ein Festival geflogen und als ich dann wieder nach Thailand zurückreisen wollte, waren die Grenzen dicht. Am Ende saß ich sieben Monate in Asien fest. Allerdings auf einer wunderschönen Insel, die normalerweise von Tausenden Besuchern in der Peak Season überlaufen ist. Zu meiner Zeit war sie aber so leer war, dass ich ein Dasein wie Robinson Crusoe fristen konnte.
Letzten Winter hatte ich eine Tour in Südafrika, danach steckte ich zwei Monate in Äthiopien und drei Monate in Tansania und auf Sansibar fest. Diesen Winter das gleiche Spiel: Drei Monate in Marokko, da dort ein paar Tage nach meiner Ankunft auch der Flugverkehr eingestellt worden ist. Ich hab‘ die 2 Jahre der Pandemie also primär im Ausland verbracht, allerdings nicht viel am Touren, sondern eher am Chillen und zur Ruhe kommen. Ich will mich aber nicht beklagen, für mich waren die letzten zwei Jahre primär von fantastischen Erlebnissen an wunderschönen Orten geprägt.
Wie ist dein Gefühl: Wie wird der nächste Sommer im Vergleich zu 2020 und 2021?
Ich bin ziemlich optimistisch. In vielen Ländern sind die Einreisebeschränkungen entweder komplett aufgehoben oder zumindest vereinfach worden. Viele Einschränkungen des sozialen Miteinanders sind ebenso gefallen und viele Promoter holen jetzt das nach, was ihnen in den letzten zwei Jahren entgangen ist. Mein Booking-Kalender für den Sommer ist gut gefüllt und jeder Artist oder Promoter, mit dem ich spreche, egal wo auf dem Planeten, schaut zuversichtlich auf die kommenden Monate.
In welchen Ländern der Welt legst du in diesem Sommer auf – und wo würdest du gern einmal spielen?
Mein persönliches Highlight für diesen Sommer stellt auf jeden Fall das Boom Festival in Portugal dar. Am letzten Morgen ein 2.5-stündiges Set im Dance Temple zu spielen, ist sicherlich eines jeden Artists feuchter Traum. Darüber hinaus freue ich mich auf meine Touren in Brasilien, Mexiko, Kanada, natürlich alle Bookings in Europa, vor allem unser eigenes Event in Ungarn namens S.U.N. Festival, und dann zum Ende des Jahres Universo Parallelo in Brasilien.
Danach folgt meine nächste-Asia Tour durch Thailand, Malaysia, Cambodia und hoffentlich auch wieder durch China – dort hatte ich insgesamt schon vier Touren. Ebenso hoffe ich, dass ich auch dieses Jahr wieder im Libanon, in Israel und in Armenien auftreten kann.
Ich hab‘ in vielen Ländern dieser Welt schon gespielt, es gibt aber ein paar in denen ich bis dato nur am Traveln, aber noch nicht am Spielen war. Allen voran Kirgistan, die Mongolei, Tadschikistan oder auch das Herz Afrikas.
Wie würdest du einem Urknall-Gast, der dich noch nicht kennt, die Dancefloor-Erfahrung bei deinem Set beschreiben?
Puh! Das ist immer schwierig sich selbst zu beschreiben, das fällt mir jetzt nicht leicht, da mit Adjektiven zu kommen. Was ich aber sagen kann ist, dass ich keines meiner Sets vorbereite. Ich spiele immer free flow, will heißen: Selbst fünf Minuten vor meinem Auftritt weiß ich nicht, mit welchem Track ich anfangen werde. Ich bevorzuge diesen improvisierten Ansatz, da ich meiner Meinung nach so die beste Chance habe, den für den dancefloor in diesem Moment „richtigen“ Sound zu wählen. Für mich ist DJing kein Monolog, sondern ein Dialog: Ich schicke was raus, warte auf die Antwort vonseiten des Floors und antworte darauf dann wieder adäquat. Meiner Meinung nach habe ich so die beste Möglichkeit, für den Dancefloor die intensivste Erfahrung zu erzeugen. Ich mach das seit dem Anfang meiner Karriere so und bis dato hat das primär zu positiven Feedbacks geführt, da die Leute das Gefühl hatten, dass ich für sie gespielt habe. Und das hab‘ ich ja dadurch auch! :)
Boom Shankar (Armin) auf:
FB: @DjBoomShankarBMSS
Insta: @boomshankarbmss
Soundcloud: Dj Boom Shankar
Mainact beim Urknall Festival
22.-24.7. | Klein Buckow
www.urknall-festival.com
Boom Shankar auf dem S.U.N. Festival in Ungarn